Freitag, 28. September 2012

Berlin - Naturkunde


Naturkundemuseum:

Ein bißchen Abstand zu dem was mal war
(und zu dem was vielleicht noch kommt), ist manchmal ganz gut.
So manches Schlimme, so viel Gutes verliert durch Sterblichkeit und Distanz
die bis dahin erlebte Schrecklichkeit.
Alles ist endlich in diesem Sonnensystem, auf diesem Planeten auch und alles geht vorbei.
So habe ich das Berliner Naturkundemuseum beim Rundgang durch die Ausstellungsräume
verstehen gelernt.
Freude, Schmerz, das lebenslange Gerangel um Dasein, Sein und den (eigenen) Tod,
alles ist irgendwann vorbei, unwichtig geworden, nie gewesen und doch wahr?
Bei der Vorstellung sich selbst in ein paar tausend Jahren ausgestopft, aufgespiesst
oder in Stein gepreßt zu wissen, mag man heftig schaudern,

aber meinen ungeliebten Nachbarn, samt seiner Musikanlage in Granit erstarrt und vor allem stumm, das hat was.
Oh, es gäbe vieles was dieses Schicksal verdiente.
Frau von der Leyen noch flacher in Marmor, ein zerquetschter Euro
und ein Packen Hartz4 Formulare.
Die CD's von Hansi Hinterseer (Mich rufen die Berge) in tauben Quarzstein versenkt,
tote Handys zwischen grauen Schieferplatten und der ehrliche Biobauer
im versiegeltem Alkoholbehältnis für alle Zeiten mahnend ein- und zugestöpselt.
Der gepreßte Jahresmüll einer deutschen Kleinfamilie,
das Skelett des lärmirritiert gestrandeten Wals,
ein verstrahlter Schuh aus Fukushima,
das Gewehr eines Kindersoldaten im ausgehärteten Ebenholz.
Ölgetränkte Meeresvögel, die versteinerte Brille des Bürokraten vom Amt nebenan
und die in Gipskristallen versunkene Büste von Guido Westerwelle.
Ob in ein paar Millionen Jahren die Späteren nach uns, so es sie geben sollte,
wissen (wollen) wer und was das alles war?
Und nach dem Warum und Wofür fragen?
Wem - die Realität der gegenwärtigen Zeit, sprich: der Nachgeborenen Vergangenheit,
wirklich und in Wahrheit nutzte und wem, wieviel und welcher Art Vorteil daraus entstand?

Der anmutig luftbewegte, auf- und abschwebende Vogelflaum
im rundum durchsichtigen Schaukasten am Anfang (oder zum Ende?) des Führungsweges
versinnbildlicht die Verletzbarkeit, das gefährdete Gleichgewicht dieser einmalig schönen Welt.
Die sich Mensch zum Trotz selbstgestaltet und immer wieder neu und anders regeneriert,
so lange sie das kann.
Das habe ich mitgenommen für mich und das wir so ziemlich das Letzte waren und sind,
was erdgeschichtlich diesen Planeten betrat.
Weniger von Bedeutung als ein paar Staubkörner in Unendlichkeit und Zeit.
Die niemand will, keiner braucht, weil wir uns auf Kosten anderer ausschließlich selbst nutzen.
Und genau deshalb, vielleicht, hoffentlich bald, die Nächsten sind,
die wieder gehen (müssen).